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Architektur: Entwurf des Zusammenlebens

Renzo Piano-Ausstellung in der Bonner Kunsthalle

Von Kurt Schlünkes

"Out of the Blue. Renzo Piano Building Workshop" zeigte Architektur, wie sie dem Geist der UNESCO entspricht. Die Werkschau des italienischen Architekten und UNESCO-Sonderbotschafters des guten Willens war vom 31. Januar bis 6. April 1997 in der Bonner Kunsthalle zu sehen.

Die Ausstellung gab mit Bildern und Bauplänen, Skizzen und Modellen einen Einblick in das Schaffen des Architekten. Bereits mit einer seiner ersten Arbeiten, einem Pavillon der italienischen Industrie, war Renzo Piano 1970 auf der Weltausstellung in Osaka, Japan, vertreten. Ein Jahr später begann er mit dem Bau des Centre Pompidou in Paris. Nach dessen Fertigstellung brachte ihn ein UNESCO-Projekt zu einem Thema zurück, das ihm besonders am Herzen lag: die Erhaltung historischer Stadtkerne. Mehrere gemeinsame Architektur-Projekte mit der UNESCO seit 1978 brachten ihm schließlich am 24. März 1995 den Titel "UNESCO-Botschafter des guten Willens" ein.

Architektur definiert Piano als Entwurf des Zusammenlebens. Seine Bauwerke stellen die Lebensbedürfnisse des Menschen, die Achtung vor Geschichte und Tradition und vor der natürlichen Umwelt in den Vordergrund. In dem zur Ausstellung erschienenen Katalog "Mein Architektur-Logbuch" schreibt er: "Sobald sich das Bauen auf die reine Technik reduziert – auf die Faktizität der Maschinen, der Organisation, des Geldes –, verliert es jeden expressiven Wert, jede gesellschaftliche Bedeutung und jede Beziehung zum Leben." Architektur nennt er "eine gefährliche Kunst", weil sie der Gesellschaft aufgezwungen wird. "Ein schlechtes Buch braucht man nicht zu lesen, schlechte Musik muss man sich nicht anhören – das hässliche Appartementgebäude gegenüber sehen wir notgedrungen." Piano betont die Verantwortung des Architekten, da er den menschlichen Lebensraum gestaltet, eine Verantwortung auch gegenüber zukünftigen Generationen.

Über das Centre Pompidou sagt er, es sollte "eine fröhliche Stadtmaschine" werden. "Man kommt im Marais im Zentrum von Paris an und stößt auf ein Geschöpf, das aus einem Buch von Jules Verne stammen könnte." Nach seiner eigenen Aussage war das Centre Pompidou aber auch "Ausdruck eines zivilen Ungehorsams". Er habe sich geweigert, ein in hohem Maße institutionelles Gebäude in diese geschichtsbeladene Stadt zu setzen. Renzo Pianos Werk beeindruckt durch die Vielzahl unterschiedlicher Bauprojekte: Industrieanlagen, Museumsbauten, Bürogebäude, "Free-Plan-Häuser", das Krankenhausmodul "Gesundheitskapsel", das Stadion in Bari, Konzertsäle, Flughafengebäude, Metro-Stationen, Einkaufszentren, Brücken, Technologiezentren, sogar ein Experimentalfahrzeug und einen Windkanal für Ferrari hat er entworfen. Eines der jüngsten Bauprojekte, an dem er sich derzeit beteiligt, ist der Potsdamer Platz. Auf der gewaltigen Baustelle in Berlin erreichen die Probleme des Städtebaus ihre höchste Komplexität.

Renzo Piano ist ein Allrounder. Seine Architektur ist so facettenreich wie die UNESCO. Tatsächlich bekommt der Baumeister es mit nahezu allen Arbeitsbereichen der UNESCO zu tun. Piano: "Ein Architekt arbeitet mit allen Arten von Rohstoffen, womit ich nicht allein Beton, Holz und Metall meine, sondern ebenso Geschichte und Geographie, Mathematik und Naturwissenschaften, Anthropologie und Ökologie, Ästhetik und Technologie, Klima und Gesellschaft. Mit all diesen Dingen muss er sich täglich messen."

Pianos UNESCO-Projekte

Das erste Projekt, das Piano 1978 in Zusammenarbeit mit dem regionalen UNESCO-Büro in Dakar durchführte, war der Bau einer Wanderfabrik im Senegal. Die Wanderfabrik, eine bewegliche Konstruktionseinheit, diente der Herstellung von Bauelementen für die traditionelle Hütteneindeckung. Den Menschen sollte ermöglicht werden, ihren Habitus und ihre typischen Häuser zu bewahren, in einer Region, in der das traditionelle Baumaterial zu versiegen drohte. Es mussten Techniken zur Wiedergewinnung und Erhaltung spezifischer Pflanzenfasern entwickelt werden, die zur Dachdeckung benötigt wurden. Das Thema dieses Architektur-Projektes war vor allem der Konflikt zwischen Tradition und "modernen" Zielsetzungen.

In Italien, Griechenland und Malta beteiligte Renzo Piano sich an UNESCO-Projekten zur Restaurierung historischer Stadtzentren. Zur Sanierung des alten Stadtgrabens von Rhodos und zur Umgestaltung des Stadttors und der historischen Stadtmauer von Valetta fertigte er Studien für die UNESCO an.

In Otranto, Italien, realisierte er den "UNESCO-Neighbourhood-Workshop", eine mobile Werkstatt für Erhaltungsarbeiten im historischen Stadtkern. Ein würfelförmiges Modul wurde im Zentrum des Stadtviertels aufgebaut. Das Konzept: Die mobile Werkstatt ist entsprechend der vier Flügel eines Würfels in vier verschiedene Sektionen gegliedert, die den vier Phasen der Baumaßnahmen entsprechen: Analyse und Diagnostik, Information und Didaktik, offene Planung und Entwurf, Konstruktion und Dokumentation. In alle Arbeitsschritte wurden die Bewohner des Viertels einbezogen. Bei der Restaurierung wurden sanfte Techniken verwendet. So konnten die Arbeiten im Stadtviertel durchgeführt werden, ohne das Leben der Einwohner zu beeinträchtigen.

1989 ist das UNESCO-Laboratorium an der Westküste Genuas, zwischen Voltri und Vesima, entstanden. Es ist ganz aus Glas gebaut, mit einem Jalousiendach, das aus Schichtholzbalken konstruiert ist. Das Gebäude – "halb Klippe, halb Schiff" – liegt hoch auf den Felsen, umgeben vom Meer. Es fügt sich in das traditionelle Gesicht des ligurischen Küstengebiets ein. Der Name des Ortes ist Punta Nave (Schiffsfels). Das Laboratorium dient als Station für die anwendungsorientierte Erforschung der Konstruktionsprinzipien von natürlichen Materialien. Aus diesem gemeinsamen Projekt mit der UNESCO gingen weitere hervor, die sich mit dem Klimaeinfluss und dem Gebrauch des natürlichen Lichts in der Architektur befassen. Seine Architektur, so Piano, folge einer Ethik, für die das UNESCO-Laboratorium auf dem Punta Nave ein Ausdruck sei: "Die eingesetzte Technologie zerstört die Natur nicht, sondern hilft uns, besser mit ihr zu leben."

Über seine Profession schreibt Renzo Piano: "Der Beruf des Architekten ist eine abenteuerliche Tätigkeit. Denn auf diesem kleinen Planeten, auf dem bereits alles entdeckt worden ist, ist das Entwerfen noch eines der großen möglichen Abenteuer."

Eine umfangreiche Werkschau gibt das zur Ausstellung erschienene Buch: Renzo Piano, Mein Architektur-Logbuch. Ostfildern-Ruit: Verlag Gerd Hatie, 1997. ISBN 3-7757-0670-4.

veröffentlicht 1997
   
 

Der Artikel ist erschienen in: UNESCO heute, Zeitschrift der Deutschen UNESCO-Kommission, Ausgabe 3, 1997. S. 79-80.

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