Home

Artikelwerkstatt

© CC BY-SA 2.0 Wikimedia
 
 
Artikelliste
 

2002: Jahr des Kulturerbes

Ein Erfolgsjahr der UNESCO?

Von Kurt Schlünkes

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2002 zum "Internationalen Jahr des Kulturerbes" erklärt. Ziel dieses Internationalen Jahres ist es, öffentliches Bewusstsein nicht nur für die Bedeutung des eigenen, nationalen Kulturerbes, sondern auch für das Erbe anderer, fremder Kulturen zu schaffen. Die Federführung für das Jahr des Kulturerbes hat die UNO der UNESCO übertragen. Die Aktivitäten der Organisation zum Internationalen Jahr 2002 stehen unter den Leitbegriffen Dialog und Entwicklung.

In der am 21. November 2001 verabschiedeten Resolution zum Internationalen Jahr des Kulturerbes fordert die VN-Generalversammlung die UNESCO dazu auf, "in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Partnerorganisationen des VN-Systems ihre Programme und weltweiten Aktivitäten zum Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes zu verstärken". Die Mitgliedstaaten der UNO, zwischenstaatliche Organisationen, NGOs und auch der Privatsektor werden dazu aufgerufen, sich mit eigenen, auch finanziellen Beiträgen an der Umsetzung des Internationalen Jahres 2002 zu beteiligen und die Aktivitäten der UNESCO zu unterstützen.

Das Mandat für Kultur wird neu gewichtet

Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends fällt der internationalen Kulturpolitik innerhalb des VN-Systems und damit dem Mandat der UNESCO eine zunehmend wichtige Rolle zu. Hatten die Vereinten Nationen das Jahr 2000 zum "Jahr der Kultur des Friedens" ausgerufen, 2001 zum "Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen", steht 2002 erneut unter dem Schwerpunktthema Kultur.

2002 feiert die Welterbekonvention der UNESCO ihr 30-jähriges Jubiläum. Hierin liegt sicher auch ein Grund, weshalb die UNO dieses Jahr zum Internationalen Jahr des Kulturerbes ausgerufen hat. Sie zollt damit der UNESCO die gebührende Anerkennung für die erfolgreiche Umsetzung des von ihr 1972 verabschiedeten "Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt", dem bisher 168 Staaten beigetreten sind.

Die Resolution der UNO-Generalversammlung zählt noch eine Reihe weiterer internationaler Konventionen auf, die auch Ergebnisse der UNESCO-Arbeit sind: die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (1954), die Konvention zum Verbot des illegalen Handels mit Kulturgut (1970) oder auch die Empfehlung zur Wahrung des kulturellen Erbes in Volkskunst und Brauchtum (1989). Ebenso bleibt das Programm der UNESCO zur Bewahrung des mündlichen und traditionellen Kulturerbes nicht unerwähnt. Nach der Proklamation der ersten 19 "Meisterwerke traditioneller Weltkultur" im Mai 2001 plant die UNESCO die Erarbeitung eines normativen Instruments (Erklärung oder Konvention) zum Schutz des sogenannten "immateriellen Erbes", wozu kulturelle Räume und Formen kulturellen Ausdrucks zählen: Sprachen, mündliche Literaturformen, handwerkliche Fähigkeiten, Bräuche, Spiele, Musik und Tanz. Auch zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser hat die UNESCO eine Konvention verabschiedet, mit der die Staatengemeinschaft den zunehmenden Plünderungen dieser kulturhistorisch wichtigen archäologischen Spuren unserer Vorfahren entgegenwirkt. Diese neue Konvention tritt in Kraft, sobald 20 Staaten sie ratifiziert haben.

Wertschätzung des Erbes der Welt

UNESCO-Generaldirektor Koïchiro Matsuura hat die Ausrufung des UNO-Jahres für das Kulturerbe ausdrücklich begrüßt und erhofft sich von dem Internationalen Jahr 2002 "breite Unterstützung für das UNESCO-Programm zum Schutz des kulturellen Erbes, eine intensivere Kooperation zwischen den VN-Organisationen, eine Stärkung der nationalen Aktivitäten zum Kulturgutschutz, bessere gegenseitige Unterstützung der Staaten bei der Erhaltung ihres Erbes sowie Partnerschaften und zusätzliche finanzielle Ressourcen".

Tatsächlich ist trotz aller Erfolge der Welterbekonvention, die man im Jahr des Kulturerbes gebührend feiern mag, eine noch intensivere Zusammenarbeit der Völkergemeinschaft in Sachen Kulturgutschutz wichtig. Dies zeigt schon die Tatsache, dass mit dem Anwachsen der Welterbeliste auf derzeit 721 Stätten ebenso ein Anwachsen der Zahl der Stätten, die auf die "Liste des bedrohten Welterbes" gesetzt werden mussten, einhergeht: 31 Stätten, vorwiegend in Entwicklungsländern, werden auf dieser "Roten Liste" der UNESCO geführt und sind auf die Hilfe der Völkergemeinschaft angewiesen. Wenn es um die internationale Zusammenarbeit beim Kulturgutschutz geht, dann kommt für das bedrohte Welterbe ärmerer Staaten ein Jahr des Kulturerbes gerade recht. Ein internationaler Wettbewerb um die vordersten Ränge in der Welterbeliste hat dagegen wenig mit Kulturgutschutz und ebenso wenig mit der völkerverbindenden Idee der Welterbekonvention zu tun. Um die Mitverantwortung auch für das Erbe fremder oder Minderheitskulturen geht es.

Kulturdialog und Entwicklung

Alte Bräuche geraten in Vergessenheit, Fresken verblassen, Paläste stürzen ein. Die Globalisierung birgt die Gefahr der Vereinheitlichung von Kultur. Jedes Volk braucht sein kulturelles Erbe zum Leben, als Spur zu seiner Geschichte, als Symbol seiner Identität und als Ausdruck seiner Lebensweise. Das kulturelle Erbe ist eine Brücke der Verständigung zwischen Vergangenheit und Zukunft und der Schlüssel zum Verstehen anderer Kulturen. Wo ein Dialog zwischen den Kulturen stattfindet, dort herrscht Frieden zwischen den Völkern.

Doch das Kulturerbe ist zerbrechlich. Vor einem Jahr schockierte die Zerstörung der zwei gigantischen 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen in Afghanistan die Weltöffentlichkeit. Kultureller Vandalismus passierte auch in anderen Teilen der Welt. 1992 zerstörten Extremisten eine Moschee in Ayodhya, Indien. Im Kosovo ist islamisches Erbe den "ethnischen Säuberungen" zum Opfer gefallen. Während des Kriegs, der das ehemalige Jugoslawien verwüstete, waren kulturelle Wahrzeichen Zielscheiben der Zerstörung.

Während in Zeiten des Krieges Kulturgüter als Symbolträger nationaler oder religiöser Identität gezielt zerstört wurden, sind sie, wenn der Frieden wiedergekehrt ist, oft Mittler im Prozess der Versöhnung. Heute koordinieren die UNESCO und die Weltbank den Wiederaufbau der Brücke von Mostar. In einem Land, in dem immer noch religiöse und ethnische Feindseligkeiten spürbar sind, arbeiten Kroaten und Bosnier Seite an Seite am Wiederaufbau der kulturellen Wahrzeichen und gewinnen wieder gegenseitiges Vertrauen.

In seiner Botschaft zum Internationalen Jahr 2002 betont UNESCO-Generaldirektor Matsuura, dass das Kulturerbe nicht nur ein Instrument für Frieden, Versöhnung und gegenseitiges Verständnis ist, sondern auch ein wichtiger Faktor der Entwicklung. Kulturerbe-Management hilft dabei, die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes wiederzubeleben, so in Kambodscha:

In Kambodscha war Angkor immer ein Symbol für den Traum der Einheit. Die Aufnahme der Tempelstätte in die UNESCO-Welterbeliste 1992 begleitete den nationalen Versöhnungsprozess und war gleichzeitig auch der Beginn der ökonomischen Entwicklung Angkors. Die Zahl der Besucher Angkors ist von 7.638 in 1993 auf 239.091 in 2001 angestiegen. Allein die Eintrittspreise für den Besuch der Tempelanlage betrugen im Jahr 2000 über fünf Millionen US-Dollar. Zehntausende von Jobs sind im Tourismus, im Bereich Gastwirtschaft und Hotelgewerbe und im Handwerksbereich bei der Instandhaltung der Stätte entstanden.

Dialog und Entwicklung sind für die UNESCO die Hauptthemen im Jahr des Kulturerbes.

Bewahrung kultureller Vielfalt

Gerade rechtzeitig zum Internationalen Jahr des Kulturerbes hat die UNESCO die "Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt" verabschiedet. Darin wird "bekräftigt, dass Kultur als Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften angesehen werden sollte, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, und dass sie über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst". Der "Respekt vor der Vielfalt der Kulturen" wird angemahnt; die UNESCO strebt "eine umfassendere Solidarität auf der Grundlage der Anerkennung kultureller Vielfalt, in dem Bewusstsein der Einheit der Menschheit, und in der Entwicklung interkulturellen Austausches an". Die Ziele des Internationalen Jahrs des Kulturerbes sind damit bereits formuliert. Folgt man dem erweiterten Kulturbegriff der UNESCO, dann kann es im Jahr des Kulturerbes auch nicht allein um den Schutz des "Kulturerbes zum Anfassen" gehen. Gleichviel schützenswert ist beispielsweise das Kulturerbe Sprache. Der UNESCO-Weltatlas der gefährdeten Sprachen zeigt auf, dass etwa die Hälfte der weltweit 6.000 Sprachen bedroht ist. Der Bewahrung des oralen und immateriellen Kulturerbes hat die UNESCO ein eigenes Programm gewidmet, ebenso dem Schutz des dokumentarischen Erbes der Menschheit in Ton, Film, Bild und Schrift im Rahmen des Programms "Memory of the World". Alle diese Programme verdienen im Jahr des Kulturerbes besondere Aufmerksamkeit.

Wenn es gelingt, die Proklamation des Kulturjahres durch die VN-Generalversammlung tatkräftig umzusetzen, die Mitgliedstaaten zu verstärkter kultureller Zusammenarbeit anzuregen, Partnerschaften und zusätzliche finanzielle Ressourcen zu mobilisieren, dann wird das Jahr des Kulturerbes zweifelsohne auch ein Erfolgsjahr für die UNESCO.

veröffentlicht 2002
   
 

Der Artikel ist erschienen in: UNESCO heute, Zeitschrift der Deutschen UNESCO-Kommission, Ausgabe 1-2, 2002. S. 24-26.

SITEMAP
Über uns Leistungen Referenzen Kontakt  
Profil Text & Redaktion Kunden Impressum  
Idee Web & Content-Pflege Referenzprojekte    
Partner PR-Beratung Artikelwerkstatt    
  Lektorat      
         
         
    kskom.de