Bildungsarbeit
an UNESCO-Welterbestätten
Ein Beitrag von Claudia Grünberg und Kurt Schlünkes
Die
Welterbekonvention der UNESCO formuliert das Ziel, universell
bedeutsame Kultur- und Naturstätten als gemeinsames Erbe der
ganzen Menschheit zu bewahren und weiterzugeben. In diesem
Sinne ist der Erhalt des Welterbes eine generationenübergreifende
Aufgabe. Neben einem vorbildlichen Denkmal- und Naturschutz
und der Förderung eines nachhaltigen Tourismus ist die Welterbebildung
daher die "dritte Säule" des Welterbeprogramms. Unter dem
Motto "Welterbe gemeinsam erhalten" verknüpft das Modellprojekt
der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) und des Unternehmens
Kärcher zwei wesentliche Ziele: Zum einen stärkt das Kooperationsprojekt
das öffentliche Bewusstsein für das Welterbe und die Aufgaben
der Denkmalpflege. Zum anderen bietet es durch begleitende
Bildungsprojekte jungen Menschen die Möglichkeit, sich mit
dem Thema Welterbe auseinanderzusetzen, sich lokal aktiv für
dessen Erhalt zu engagieren und somit anhand der Pflege des
kulturellen Erbes die Bedeutung von nachhaltiger Entwicklung
nachzuvollziehen und nachhaltiges Handeln praktisch zu erproben.
Warum
ist Welterbebildung wichtig?
Mit
der Unterzeichnung der Welterbekonvention verpflichten sich
die Vertragsstaaten, ihr Welterbe zu schützen und weiterzugeben.
Konsequenterweise folgt aus diesem generationenübergreifenden
Auftrag die Forderung, durch Bildungsprogramme die Wertschätzung
des Erbes auf breiter Basis zu stärken sowie die Bildung und
Ausbildung im Bereich der Denkmalpflege und des Naturschutzes
zu fördern. Artikel 27 der Welterbekonvention betont explizit
die Rolle der Bildung: "Die Vertragsstaaten bemühen sich (...)
insbesondere durch Bildungs- und Informationsprogramme, die
Würdigung und Achtung des (...) Kultur- und Naturerbes durch
ihre Völker zu stärken." In den Richtlinien zur Umsetzung
der Welterbekonvention wird der Bildungsauftrag konkretisiert:
"Die Vertragsstaaten werden ermutigt, Bildungsmaßnahmen in
Zusammenhang mit dem Welterbe soweit möglich unter Beteiligung
von Schulen, Universitäten, Museen und anderen kommunalen
und nationalen Bildungsträgern zu entwickeln." Um die Welterbebildung
zu fördern, hat das UNESCO-Welterbezentrum 1994 das "World
Heritage Education Programme" initiiert.
Für
die erfolgreiche Umsetzung der Welterbekonvention ist Welterbebildung
insbesondere mit Kindern und Jugendlichen entscheidend. Nur
wenn die junge Generation Verantwortung für die Erhaltung
und nachhaltige Entwicklung der einzigartigen Welterbestätten
übernimmt, werden die Zeugnisse unserer gemeinsamen Geschichte
weiterleben. Die Entscheidungsträger von morgen müssen wissen,
wie sie die Zukunft des Welterbes gestalten können, sodass
Welterbestätten lebendige Orte bleiben, die als Repräsentanten
der eigenen Vergangenheit zu gesellschaftlicher Auseinandersetzung
anregen und als Teil der eigenen Identität begriffen werden.
Welterbebildung:
Mehr als Denkmalpflege
Deshalb
fördert die DUK seit vielen Jahren Projekte zur Welterbebildung.
In der Hildesheimer Resolution (2006) fordert die DUK alle
in Deutschland politisch und fachlich zuständigen Institutionen
dazu auf, den "Bildungsauftrag" der Welterbestätten zu verankern
und sie "zu Orten der interkulturellen Begegnung und zu Vermittlern
der Ideale der UNESCO zu machen". So verstanden, geht Welterbebildung
weit über die Vermittlung von technischen Fähigkeiten zum
Erhalt des Welterbes hinaus und wird zu Lernen über sich selbst
und andere. Die Welterbestätten ermöglichen Kindern und Jugendlichen
die eigene Geschichte, aber auch aktuelle Themen der Gegenwart
am Objekt anschaulich und haptisch zu erfahren. Am Aachener
Dom zum Beispiel kann man anhand seines Thrones ganz konkret
begreifen, von wo Karl der Große aus regiert hat. Die reiche
Ausstattung ist über Jahrhunderte von Pilgern, Kaisern und
Königen aus verschiedenen Ländern gestiftet worden, was zeigt,
welch Großartiges durch den transkulturellen Austausch von
verschiedensten Menschen entstehen kann.
Die
gemeinsame Verantwortung für das Welterbe verbindet Menschen
über Grenzen hinweg und fördert das Gefühl der Solidarität
sowie auch ganz konkret den Kompetenzerwerb im Bereich der
interkulturellen Kommunikation und Zusammenarbeit. Das Lernen
an Welterbestätten kann daher Weltoffenheit, die Anerkennung
von und einen produktiven Umgang mit kultureller Vielfalt
fördern und wird so dem Bildungsanspruch einer multikulturellen
Gesellschaft gerecht.
Was
kann man an Welterbestätten lernen?
In
dem Modellprojekt der DUK und Kärcher geht es dementsprechend
nicht allein um die denkmalgerechte Reinigung des Aachener
Doms, sondern auch darum, den Kindern und Jugendlichen das
kulturelle Erbe auf lebendige Weise erfahrbar zu machen. Das
Projekt trägt so auch dazu bei, die Bildungsarbeit und das
bürgerschaftliche Engagement für die Welterbestätten zu fördern.
Die von der DUK durchgeführten Bildungsprojekte für Jugendliche
haben vor allem das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt.
In der aktuellen Debatte um die Post-2015-Entwicklungsagenda
der Vereinten Nationen hat die UNESCO die Rolle der Bildung
immer wieder betont. Bildung soll jeden Einzelnen dazu befähigen,
den globalen Herausforderungen zu begegnen. Die für die aktive
Gestaltung der Zukunft benötigten Kompetenzen stehen im Mittelpunkt
der Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Welterbestätten
eignen sich in idealer Weise als Lernorte für nachhaltige
Entwicklung. So vermittelte der Workshop mit den Domkindern
am Aachener Dom zum Beispiel, wie Denkmalschutz und Umweltschutz
zusammenhängen. Unter Anleitung des Dombaumeisters untersuchten
die Kinder die Schäden am Mauerwerk des Doms und fanden heraus,
dass Staub und Abgase, aber auch Moosbildung, Verwitterung
und Vogelkot die Ursachen sind. In dem Welterbe-Workshop an
der Jugendbauhütte in Quedlinburg konnten die Jugendlichen
die Aufgaben der Denkmalpflege praktisch kennenlernen und
probierten, wie man historische Steine mit modernen Techniken
erhalten kann.
Schüler
als Multiplikatoren
Schüler
des Inda-Gymnasiums, einer angehenden UNESCO-Projektschule
in Aachen-Kornelimünster, drehten einen Kurzfilm über den
Aachener Dom. In der Projektarbeit entwickelten sie ein umfassendes
Verständnis des Welterbes, lernten verschiedene Welterbestätten
weltweit kennen und diskutierten über die Möglichkeiten, die
verschiedene Kooperationen – grenzübergreifend sowie zwischen
verschiedenen Akteuren – für den Erhalt des Welterbes mit
sich bringen. Der Film reflektiert dies auf kreative Weise
und zeigt, warum der Aachener Dom ein einzigartiges Erbe ist
und was er für die Schüler bedeutet. Sie interviewten Aachener
Bürger, Touristen und Denkmalpfleger und zeigen so anschaulich,
welche Bedeutung der Dom für Religion, Geschichte und Architektur,
aber auch als Ort der internationalen Begegnung hat. Auch
die selbst durchgeführten Restaurierungsarbeiten wurden mit
der Kamera festgehalten und in den Film integriert. In den
Workshops haben die Jugendlichen eigene Ideen entwickelt,
wie sie sich für den Erhalt und respektvollen Umgang mit dem
Welterbe einsetzen können. Ihre vielfältigen Perspektiven
auf den Dom haben die Schüler des Inda-Gymnasiums auf individuellen
Postkarten festgehalten, die sie über Instagram mit ihren
Freunden teilten. Ihren Film haben sie im Juni 2015 auch interessierten
internationalen Welterbeexperten im Rahmen der 39. Sitzung
des UNESCO-Welterbekomitees in Bonn präsentiert. Das Engagement
der Jugendlichen bewirkt auf diese Weise einen Multiplikatoreneffekt.
Im Welterbe-Bildungsprogramm kooperieren junge Menschen über
alle Grenzen hinweg auf der Grundlage einer universellen Idee:
Das Welterbe soll Menschen aller Kulturen verbinden. Deshalb
muss Welterbebildung auch in Zukunft weiter gestärkt und innovative
Projekte sowie Forschung und Curriculumentwicklung gefördert
werden.
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veröffentlicht
2016 |
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Der
Artikel ist erschienen in: Welterbe gemeinsam erhalten.
Ein Modellprojekt zur denkmalgerechten Reinigung am Aachener
Dom. Hrsg. von der Alfred Kärcher GmbH & Co. KG, Winnenden,
und der Deutschen UNESCO-Kommission, Bonn 2016. S. 69-73.
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